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Astrologie

„Im Horoskop wird der Mensch gleichsam zum Träger des Weltganzen, wird mitverantwortlich in gewissem Sinne an der Gestaltung des Allraumes und seiner innerlich lebendigen Harmonie“ (Fritz Werle 1962, 15).

Streng genommen ist Astrologie kein „spiritueller Weg“, sie ist vielmehr eine Methode, mit der sich Muster von Zusammenhängen in einem undurchschaubaren Kosmos erkennen lassen (→ Orakel). Astrologie basiert auf der uralten Intuition des Menschen, dass es einen kosmischen Plan gibt, in dem Mensch und Kosmos eine Einheit bilden. Durch Beobachtung von Sternen, den Bewegungen der Planeten und den Verhaltensweisen von Menschen wurden von den alten Astrologen Zusammenhänge hergestellt, die dem Menschen helfen sollten, in Einklang mit diesen Gegebenheiten zu leben.

Die westliche Astrologie, die auf dem Werk des ägyptischen Gelehrten Ptolemäus und der Lehre des Hermes Trismegistos (→ Hermetik) basiert, besagt: Das All ist Geist, das Universum ist geistig. Dabei helfen die Gesetze des Universums die Gesetze des Lebens erkennen und umgekehrt: „Wie oben, so unten, wie unten so oben.“ Zwischen allen Erscheinungen des irdischen Lebens gibt es eine Entsprechung im Makrokosmos; die Gestirne und das menschliche Leben entsprechen sich ebenfalls. Zu ähnlichen Erkenntnissen kam übrigens auch die moderne Quantenphysik.

So ist die Astrologie die älteste der Wissenschaften, die das Bewusstsein über den Zusammenhang zwischen den zyklischen Bewegungen von Sonne und Mond mit dem Wachstum der Pflanzen und dem Naturgeschehen im Allgemeinen herstellt. Ganz allgemein ausgedrückt, deutet die Astrologie räumliche Verhältnisse und zeitliche Abläufe in unserem Sonnensystem und den Sternensystemen, die mit bloßem Auge zu sehen sind. Sie basiert auf der Grundannahme, dass die sich aus solchen Verhältnissen ergebenden Rhythmen in Zusammenhang stehen mit physikalischen, biologischen und psychischen Abläufen in den Organismen auf der Erde.

Da die Astrologie seit alters her kontrovers diskutiert wird, wurden natürlich viele Versuche unternommen, ihre Ergebnisse zu verifizieren. Wir wissen inzwischen, dass viele Tiere und Pflanzen auf die Mondläufe reagieren, Ebbe und Flut sind davon abhängig und auch der Menstruationszyklus der Frau. Man kann jedoch aus diesen Tatsachen nicht daraus schließen, dass die Rhythmen der Planeten Einfluss auf biologische oder seelische Gegebenheiten haben. Der Wechsel der Jahreszeiten und die Jahreszeit, in der ein Kind das Licht der Welt erblickt, prägen sicherlich auch die Wahrnehmung. Wenn Kinder, die im Frühling geboren werden, sich mehr der Natur und dem Spielerischen zuwenden, und Kinder die im Winter geboren werden, sich strenger verhalten oder in sich gekehrter sind, hat das möglicherweise jahreszeitliche Ursachen in dem Sinne, dass die jahreszeitliche „Stimmung“ von der noch feinen Seelenwahrnehmung des Kindes aufgenommen wird. Die neueren Erkenntnisse der Chronobiologie bestätigen diese Vermutung. Das Leben ist in jedem Fall eingebettet in kosmische Rhythmen, doch determinieren diese Rhythmen nicht gänzlich all unsere Charakterzüge und Verhaltensweisen.

Arbeitsgrundlage des Astrologen ist das → Horoskop („die Stunde sehen“). Fritz Werle sagt dazu: „Das Horoskop ist etwa dem Fell zu vergleichen, das über den Paukenkessel gezogen ist, und auf dem der Ton erzeugt wird“ (Fritz Werle 1962, 16). Es stellt graphisch die Konstellation der Gestirne unseres Sonnensystems im Moment der Geburt eines Menschen dar. Man könnte es auch als eine Art Himmelskarte bezeichnen, in der die Positionen der Gestirne des Sonnensystems relativ zum Stand des Beobachters – also die geozentrischen Koordinaten – eingetragen sind.

Wir leben so in zwei täglichen Rhythmen: dem Wechsel von Tag und Nacht durch die Rotation der Erde um sich selbst – deshalb sehen wir die Sonne morgens im Osten „aufgehen“ – und dem jährlichen Rhythmus durch die Bewegung der Erde um die Sonne. Da der Osten und der Frühlingsanfang traditionell mit der Wiedergeburt des Lebens in Verbindung gebracht werden, beginnt mit dem Frühlingsanfang (im Osten) auch das erste Tierkreiszeichen (Widder).

Die mit den Zahlen eins bis zwölf bezeichneten Kreisabschnitte nennt man Häuser. Sie werden, wie die Tierkreiszeichen, gegen den Uhrzeigersinn gezählt. Das erste Haus ist somit der Aszendent, der von der Zeit als auch dem Ort abhängig ist, da jeder Ort einen anderen Horizont aufweist. Die Stellungen der berechneten Planeten sind im Tierkreis unabhängig von der Rotation der Erde (also für alle Orte gleich), die Stellung der Planeten in den Häusern ist jedoch individueller. Nebenbei gesagt hat sich durch die so genannte Präzession (die mit dem Winkel der Erdachse zur Ekliptik zusammenhängt) der Sternenhimmel im Laufe der Jahrtausende verschoben, was aber für die Interpretation der Tierkreiszeichen keine Rolle spielt – die Berechnungen sind heute dennoch richtig.

Im Horoskop gibt der Tierkreis die Wirkung der Welt auf den Menschen an, d.h. die Richtung verläuft von außen nach innen, während der Häuserkreis eine zwölffältige Einstellung des Menschen zur Welt, also von innen nach außen, kennzeichnet. Die Planeten zeigen Entsprechungen zu den Fähigkeiten des Menschen, sie sind „Wirkkräfte“. Die so genannten Aspekte zeigen die Beziehungen zwischen den Planeten entsprechend dem Winkel, in dem sie zueinander stehen; diese Verhältnisse entsprechen den musikalischen Harmonien von Quinte, Quarte, Septime usw. (→ Oktavengesetz). Eine Opposition zeigt für manche Astrologen einen Wollensaspekt, eine Spannung an, während ein Quadrat ein Gefühlsaspekt oder ein Trigon einen Empfindungsaspekt darstellt.

Die klassische Einteilung des Tierkreises aufgrund der vier → Elemente Feuer, Erde, Wasser, Luft ergibt folgende Entsprechungen zu den individuellen Temperamenten:

  • Das Feuerzeichen entspricht dem cholerischen Temperament: ein Wollensaspekt;
  • das Erdzeichen entspricht dem melancholischen Temperament: ein Empfindungsaspekt;
  • das Luftzeichen entspricht dem sanguinischen Temperament: ein Denkaspekt; und
  • das Wasserzeichen entspricht einem phlegmatischen Temperament: ein Gefühlsaspekt.

In Kombination mit den drei Grundkonstanten des Menschen Körper, Seele und Geist, die traditionell als „fix“ (fest, Körper), kardinal (grundlegend, Seele) und labil (beweglich, Geist) bezeichnet werden, ergibt sich durch diese Kombination von 3 x 4 die wesentliche Bedeutung eines Sternzeichens.

Da verschiedene astrologische Schulen und Berechnungsmethoden existieren, kann es vorkommen, dass zwei Astrologen ein und dasselbe Horoskop völlig unterschiedlich interpretieren. Die einen interpretieren psychologisch, andere sehen es als Lebenshilfe, dritte machen Zukunftsvorhersagen (→ Orakel), und vierte bringen die persönlichen Anlagen ins Blickfeld des Fragenden.

Das Gewicht der Frage liegt bei den meisten Suchenden auf den Fragen „Wer bin ich?“ oder „Was kann ich aus meinem Leben machen, wo liegen meine Stärken und Schwächen?“. Insofern kann ein guter Astrologe mit psychologischer Einfühlsamkeit als Lebensberater fungieren. Nicht hilfreich sind dagegen konkrete Voraussagen, weil – wie die meisten ernsthaften Astrologen zugeben – das → Horoskop keine Handlungen und Ereignisse determiniert. Eine grundsätzliche Aussage über eine individuelle Lebensart und mögliche charakterliche Anlagen, die den Menschen Zeit seines Lebens prägen werden, ist durchaus möglich, auch wenn viele andere Faktoren wie Familie, Umfeld, Sozialisation und auch das seelisch-geistige Muster eines Menschen das Ganze wesentlich modifizieren können.

Dennoch bringt die astrologische Klassifizierung in Persönlichkeitstypen große Schwierigkeiten mit sich. Auch wenn der französische Wissenschaftler Michel Gauquelin in akribischer Arbeit herausgefunden hat, dass bestimmte Planetenstellungen mit bestimmten Berufen kongruieren, bleibt immer noch die Frage, was mit dieser Erkenntnis anzufangen ist. Durch Klassifizierungen, Statistiken oder Annahmen findet man kaum etwas über sich selbst heraus – wichtig sind die Handlungen eines Menschen, der selbst sein Leben verwirklichen, seine Talente und Anlagen ausbilden muss.

Es kann natürlich helfen, durch ein Horoskop eine Anlage zu entdecken, doch wenn der entsprechende Mensch – nehmen wir einmal an, er ist Maurer – eine Anlage zum Künstler hat, wird er diese erst entfalten, wenn er daran arbeitet; möglicherweise nicht als Broterwerb, sondern eher in seiner Freizeit. Das Horoskop kann jedoch nicht sagen, ob er Erfolg haben wird, denn vieles unterliegt anderen Gesetzmäßigkeiten und Umständen. Umgekehrt könnte man auch sagen, dass, sofern die künstlerische Anlage in ihm groß genug ist, um ihn anzutreiben, er auf jeden Fall irgendwann in diese Richtung gehen wird. Gleichzeitig kann hier ein Nutzen der Astrologie liegen: Wenn ein Fragender bestimmte Schwächen oder Stärken besser versteht, die möglicherweise auf einer inneren Anlage beruhen, hilft es ihm, im Alltagsleben besser mit Situationen umzugehen, in denen diese Stärken oder Schwächen vielleicht von Vor- oder Nachteil sind. Er kann sie dann vielleicht ausgleichen. Doch dies erfordert eine Willensschulung, die durch einen der psychologischen oder spirituellen Wege angepackt werden muss. Dabei sind die Planeten allerdings keine große Hilfe …

In diesem Sinne kann die Beschäftigung mit der Astrologie eine Ergänzung zu einem spirituellen Weg sein, um „kosmische“ Zusammenhänge zu verstehen und das persönliche Weltbild zu erweitern. Sich jedoch vollständig von astrologischen Berechnungen und Beratungen abhängig zu machen und das Leben danach zu gestalten kann die individuelle Entfaltung einschränken. „Erfahrungsweg und Erkenntnisweg treffen sich, indem tatsächliches Verstehen eine Erfahrung ist, die sich von selbst ins Leben umsetzt und den Menschen wandelt“ (Wilhelmine Keyserling 1997, 16).

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