Aufmerksamkeit
Aufmerksamkeit ist eine Eigenschaft oder direkt zugängliche „Funktion“ des → Bewusstseins und des Willens (wie im → Buddhismus „die überpersönliche Kraft des Geistes“) und wird normalerweise von vielen Dingen angezogen. Wie die Aufmerksamkeit konzentriert werden kann, ist eines der „Geheimnisse“ vieler spiritueller Lehren. Eine gute Übung ist die Beobachtung, die → Wahrnehmung des eigenen Verhaltens. Sie kann dem Schüler zeigen, wie er von vielen Dingen angezogen oder abgelenkt wird und entsprechend reagiert. Deshalb rufen bestimmte Lernsituationen sehr viele Spannungen hervor, weil der Schüler mit seinen Identifikationen konfrontiert wird, welche seine spontane Aufmerksamkeit blockieren. Für Wege wie den → Zen hat die Übung der Aufmerksamkeit einen zentralen Stellenwert. Ein Schüler fragte: „Meister, sag mir einige Grundregeln der höchsten Weisheit.“ Der Meister antwortete: „Aufmerksamkeit.“ – „Ist das alles?“ verwunderte sich der Mann. Daraufhin sagte der Meister: „Aufmerksamkeit, Aufmerksamkeit, Aufmerksamkeit.“
Fortgeschrittene Trainingsmethoden erfordern vielseitige Aufmerksamkeit. In sich selbst zentriert zu bleiben und dennoch mit einem Teil der Aufmerksamkeit der äußeren Umwelt gewahr zu sein, ist eine grundlegende Übungspraxis der → Schulen des Augenblicks. Denn für unser normales Denken und Empfinden sind spirituelle Impulse zu schnell. Wir können sie erst im Nachhinein wahrnehmen. Das beste Beispiel ist die Wirkung von Intuition und Kreativität. Wenn Menschen einen „Einfall“ haben, der wie aus dem Nichts kommt, also nicht von äußeren Faktoren bedingt ist oder jedenfalls keine unmittelbare Reaktion auf einen äußeren Anlass darstellt, sind sie selten in der Lage, diesen Einfall im Augenblick seines Entstehens zu sehen, vielleicht noch nicht einmal hinterher. Er fließt einfach durch sie hindurch, ohne Spuren zu hinterlassen. Doch wenn der Einfall wichtig ist, sollten der Betreffende in der Lage sein, ihn zu bemerken.
Manche der spirituellen Richtungen, die heute verbreitet sind, sprechen davon, dass man einfach „im kosmischen Strom fließen“ soll. Das mag zwar ein sehr angenehmes Gefühl sein, geht aber ganz am Kern der Sache vorbei. Denn die ungebundene Sensitivität sollte nicht einfach erlebt, sondern konzentriert werden, damit die Aufmerksamkeit, das Bewusstsein und die Kreativität, die intensivere „Energien“ sind, überhaupt auf eine Basis bzw. ein „Gefäß“ im jeweiligen Menschen treffen. Ohne diese Basis sind die Menschen allen möglichen inneren und äußeren Impulsen ausgeliefert, die sie von der „wirklichen“ Arbeit an sich selbst ablenken. Sie fühlen sich zwar frei, sind es jedoch nicht; Freiheit ist eine Eigenschaft des Willens und der Aufmerksamkeit, wie etwa G.I. → Gurdjieff oder → Zen lehren. Siehe auch: → Achtsamkeit.