Bhakti-Yoga
Ein typisches Beispiel der Vermischung von → Yoga und Volksreligiosität ist der Bhakti-Yoga, der durch betonte Hingabe und Liebe zu dem einen Gott, dem Erhabenen und Allmächtigen, bestimmt ist.
„Die Betonung auf hingebungsvoller Annäherung an die Gottheit und die monotheistische Idee vom Ziel der Verehrung sind somit die beiden wichtigsten und charakteristischsten Elemente des Bhakti-Weges … Diese Art der Annäherung an die Gottheit ist grundsätzlich verschieden von der vedischen oder brahmanischen Tradition [→ Brahmanismus], die sich die höchsten Ziele der Religion in Gestalt vieler Götter und Göttinnen vorstellte und versuchte, diese durch Opfer oder yajna zu erreichen.“ (Azad Faruqi 1990)
Bhakti, die Hingabe und Liebe an eine Gottheit, wurde volkstümlich durch die Lehre vom → Avatar. Damit wird die Idee einer Erscheinung Gottes in körperlicher Gestalt ausgedrückt. Mit Beginn der epischen Literatur dürften alle bekannten Avatare, die in Tiergestalt auftraten, Vishnu zugeordnet werden. Der Liste wurden einige in menschlicher Gestalt hinzugefügt. Im „Mahabharata“ und besonders in der → „Bhagavadgita“ wird Krishna als Haupt-Avatar von Vishnu herausgestellt. Bhakti wurde schließlich zur populärsten Religion in ganz Indien. Die Avatare Vishnus sind: Matsya (Fisch), Kurma (Schildkröte), Varaha (Eber), Narsimha (Mensch-Löwe), Vamana (Zwerg), Rama-Bhargava, Rama-Dasrathi, Rama-Haldara, Buddha, Krishna und Kalki (der noch erscheinen soll).
Die Vaishnava verehren Krishna-Vishnu, und da Vishnu den erhaltenden, rezeptiven Aspekt dieser → Trinität verkörpert, liegt das Schwergewicht dieser Richtung auf liebender Anbetung und Verehrung Gottes und der Schöpfung. Das → Sadhana, die Übung der Vaishnava, besteht im Wesentlichen in der Hingabe und dem Singen von Kirtans (mantrischen Gesängen) und → Mantras zur Verehrung des Gottes. Einer der bedeutendsten historischen Bhakti-Yogis war Krishna Caitanya (1486-1534), auf den sich in den Siebzigerjahren des 20. Jh. die „Hare-Krishna“-Bewegung berief (→ Hare), deren Begründer Swami Prabhupada Bhaktivedanta ist. Wie die christliche → Mystik dieser Zeit rief er eine neue Bewegung ins Leben, die sich ausschließlich der liebenden Verehrung des Gottes Vishnu und besonders seiner Inkarnation Krishna widmete, welcher dabei sogar einen höheren Rang einnahm als Vishnu selbst (ähnlich dem Christentum, wo Jesus häufig höher geschätzt wird als Gott selbst). Die Lehre stützt sich auf den Bhakti-Aspekt der „Bhagavadgita“, wo es heißt: „Von allen Yogis ist derjenige am engsten mit Mir in Yoga vereint, der immer mit festem Vertrauen in mir weilt und Mich im transzendentalen liebevollen Dienst verehrt. Er ist der größte von allen.“ Die Internationale Krishna-Gesellschaft ist auch in Deutschland weit verbreitet.
Um die verehrten Hauptgottheiten haben sich im Laufe der Zeit verschiedene Gruppierungen gebildet, von denen jede eine andere Form des Gottesdienstes entwickelte. Im Bhakti-Hinduismus ist es oft üblich, mehr als einen Gott zu verehren. Jede Gemeinschaft hat eigene Gottheiten, manchmal sogar jede Familie.
Große Verehrung genießen viele weibliche Göttinnen, die sich genauso voneinander unterscheiden wie die männlichen. Einige haben stark mütterliche Aspekte (Sri-Lakshmi, Vishnus Begleiterin). Manche haben starke, unabhängige Wesen, sind wild und ungezähmt (→ Kali) und große Kriegerinnen (Durga), andere sind zuständig für Kunst und Kultur (Sarasvati, Brahmas Gefährtin). Parvati, → Shivas Begleiterin, wird im Gegensatz zu seinem asketischen Hang als eine Figur dargestellt, die Schönheit und Attraktivität des weltlichen, sexuellen Lebens symbolisiert und Haus und Gesellschaft pflegt. Noch enger mit einem der männlichen Gottheiten verbunden ist Sita, Vishnu-Ramas Frau.