Wachbewusstseinszustand
Im Alltagsbewusstsein bewerten Menschen ihre → Wahrnehmung entsprechend ihrer Ausbildung und den Vorlieben, Schwächen oder Stärken der jeweils handelnden „Persönlichkeit“ bzw. der vielen „Ichs“, die sich im Laufe des Lebens ausgeprägt haben, im Sinne des Gehirnforscher Robert Ornstein, der den Menschen als „Multimind“ (1990) beschreibt, als „Mensch mit vielen Persönlichkeiten“. Je umfangreicher das gespeicherte Wissen und unsere Erfahrung sind, desto schärfer können wir unterscheiden. Demgemäß wird unser „maximales“ Wachbewusstsein potenziell dann verfügbar, wenn unsere defensive Verengung gelöst ist und die Verzerrungen der Wahrnehmung beseitigt sind.
Die psychotherapeutische Arbeit oder eine Arbeit des Selbststudiums kann helfen, die verschiedenen Konditionierungen, Fantasien, → Identifikationen usw. aufzudecken, und die Dinge, die wir verdrängt oder vergessen haben und die uns im Alltag behindern, bewusst zu machen. Dadurch verbessert sich in den meisten Fällen die Realitätsorientierung.
Je mehr wir die Abhängigkeit von der äußeren, physischen Welt, aber auch unseren Emotionen und Wünschen erkennen und beobachten, sind wir in der Lage, in die „Welt des Bewusstseins aufzuwachen“ (→ Geist). Verschiedene Übungen helfen dabei, den Zustand des erweiterten Wachbewusstseins zu festigen. Deshalb ist es besser, davon zu sprechen, dass das „Bewusstsein uns hat, als dass wir es hätten … Bewusstsein ist nicht personalisiert oder an einen bestimmten Platz gebunden. Es ist überall … Wir sind so beschäftigt mit den äußeren Dingen, dass wir gar nicht wahrnehmen, dass allen Dingen Bewusstsein innewohnt. Es ist in verschiedenen Dingen unterschiedlich konzentriert und es wirkt unterschiedlich in ihnen.“ (John G. → Bennett 1984, 86)
Viele Übungen und Methoden, die uns von verschiedenen transpersonalen oder spirituellen Richtungen angeboten werden, haben mit dem Aufwachen in die zweite Welt der → Energien (→ Geist) zu tun. Da wir gewöhnlich in einem verengten Wachzustand leben, ist das Aufwachen ins Bewusstsein eine intensive Erfahrung, d.h. blockierte Bewusstseinsenergie wird freigesetzt.
„Obwohl Bewusstsein nichts ist, was man kontrollieren könnte oder an- und ausschalten wie ein Lampe, so können wir doch lernen, uns selbst auf die bewusste Erfahrung einzustellen. Es ist das Bewusstsein, das uns wahrnehmen lässt, was wir sind, und uns befähigt zu denken, was wir denken wollen, und zu fühlen, was wir fühlen wollen, und unseren Körper so zu bewegen, wie wir es beabsichtigen.“ (John G. Bennett 1984, 87)
Das „wirkliche“ Wachbewusstsein ist normalerweise ein intensiver Bewusstseinszustand, der allerdings nur mit einer Übung der → Aufmerksamkeit längere Zeit aufrechterhalten werden kann:
„Wenn der Übergang stattfindet, sind wir uns auch der zweiten Welt bewusst. Daher ist alles anders. Wir werden fähig, mit unseren Augen zu sehen. Das kommt daher, weil die zweite Welt aus dem Stoff des Sehens, Hörens, Fühlens und Denkens gemacht ist. Wenn wir uns nicht in dieser Welt befinden, geschehen alle diese Dinge ohne uns.“ (John G. Bennett 1984, 332)
Auch im gewöhnlichen alltäglichen Wachzustand leben wir in beiden Welten, allerdings besteht keine direkte Verbindung zur zweiten Welt, die ohne Arbeit am Wachzustand nur als Traumzustand erfahren wird. Wenn wir in die zweite Welt aufwachen, wird unser Sehen zum eigentlichen Wahrnehmen, das Denken wird wirkungsvoll, es bleibt nicht an der Oberfläche.
Darüber hinaus gibt es noch andere, so genannte veränderte Wachbewusstseinszustände, die gezielt angestrebt werden können, manchmal aber auch zufällig erfahren werden. Es sind Erfahrungen mit der „inneren“ Seite des Bewusstseins (→ Bewusstseinszustände).